Samstag, 27. April 2019
Von Tommy Weinz
Seit mehreren Monaten fahre ich auf der Suche nach traditionellen Rezepten aus Bäckereien quer durch Europa, so auch nach England. Die Überfahrt mit der Fähre von Dünkirchen nach Dover dauert knapp zwei Stunden.
Ich denke währenddessen an Vorurteile: an das berühmt-berüchtigte englische Toastbrot, dass Engländer keine Ahnung von Sauerteig haben, geschweige denn, dass die Inselbewohner ein für uns Deutsche normales, schmackhaftes Brot backen können.
Tatsächlich aber gibt es ein auf Sauerteig basierendes Bauernbrot, das „Farmhouse Bread“. Zwar befindet sich in dieser Richtung noch alles in den Anfängen, dennoch kristallisieren sich neue Vertriebsstrukturen, getragen durch alte, traditionelle Rezepte heraus.
Ein Volk entdeckt das „Sourdough Bread“
„Sourdough Bread“ (Sauerteigbrot) ist auf der Insel voll im Trend und beschert den über Jahrzehnte leidenden Bäckereien Überlebenschancen. Nach und nach werden neue „Artisan Bakery“-Konzepte zum Leben erweckt und mit großer Sorgfalt betrieben.
Wir besuchen zwei dieser „Artisan Bakerys“ mit fast identischen Konzepten. Beide Unternehmen florieren. Dabei ist es auch in England nicht einfach, arbeitswillige Mitarbeiter mit einem Faible für gutes Brot zu finden. Durch das neue Konzept ist es aber möglich, bessere Löhne zu zahlen, manche Bäckerei greift auf ausgebildete Immigranten zurück.
In der Leakers Bakery in Bridport arbeiten fast nur Fachkräfte aus Polen. „Sie verstehen ihr Handwerk, kennen sich wirklich gut mit dem traditionellen Backen von Brot aus und sind sehr fleißig,“ sagt Caroline Parkins (70), Inhaberin der Leakers Bakery. Sie arbeitet nicht mehr in der Produktion mit, kümmert sich aber um die Verwaltung der Bäckerei.
Auch die Oxfords Bakery in Alweston setzt auf Tradition. „Artisan Bakery“ wird hier groß geschrieben. Steve Oxford (38) betreibt diese Bäckerei in der vierten Generation. Er erzählt von der schwierigen Zeit des Bäckerlebens in den vergangenen Jahrzehnten.
Konzept erfolgreich optimiert
Er stellte seinen Betrieb um, ganz nach dem Motto: Weniger ist mehr. „Sauerteigbrote sind der Renner. Sie können auch teurer angeboten werden. Der Kunde ist bereit, für ein ehrliches Brot mehr zu zahlen.“
Er habe das Tagesgebäck, also die schnell altbacken werdende Ware wie Croissants komplett aus der Theke entfernt und mehr auf Dauerbackwaren gesetzt. „Außerdem habe ich meine Angebotspalette eingekürzt, einige Filialen geschlossen, die Überproduktionen optimiert und mehr auf Tradition und Marketing gesetzt“, sagt der frühere Discjockey.
Mit diesem Konzept betreibt Steve Oxford vier Filialen, und die Leute stehen noch immer an jeder Filiale Schlange, um an ein Brot aus der mittlerweile sehr bekannten „Oxfords Bakery“ zu kommen. Auch wenn es fast doppelt so teuer ist als ein Brot aus dem Supermarkt.
Vor 15 Jahren hatte er mit dieser Umstrukturierung begonnen. Sein damaliger Ofenmeister Henry setzte den Sauerteig an, der bis heute unter dem Namen „Henry“ am Leben gehalten wird und die Grundzutat für die „Sourdough“ Brote ist.
Seit Mai 2018 reist Tommy Weinz aus Bad Sobernheim gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Bäckermeisterin Katrin Benz, im Wohnmobil durch Europa. In jedem Land geht das Paar auf die Suche nach tradierten Unternehmen der Foodbranche. Für die ABZ wird der Bäcker, Konditor, Koch und Küchenmeister von seinen Reisen erzählen.
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