Meine Passion

Wie alles begann, oder aller Anfang ist schwer

Mittlerweile sind fast zwei Jahre rum. Das sechste Magazin ist im Handel und weitere Zeitschriften und Bücher sind für das Jahr 2020 bereits geplant und in Arbeit. Bisher waren wir in England, Schottland, Belgien, Frankreich, Portugal, Spanien, Schweden, Norwegen und Italien.

Aus diesen Ländern haben wir bereits unzählige Rezepturen gesammelt die bisher noch nicht veröffentlicht sind. Einen Teil aus dieser Schatztruhe bekommt man wöchentlich wenn man sich für das „Rezept der Woche“ registriert hat.

Uns war schon beim Start, im März 2018 klar, das wir einen guten Backofen für diese Reise benötigen. Unsere Anforderung an diesen Ofen war: wenig Gewicht, viel Backraum, möglichst hohe Hitze, Umluft und Ober- Unterhitze Funktion. Ein eingebauter Gasherd kam für uns im Wohnmobil nicht in Frage, denn wir hatten keine Möglichkeit diesen vorab zu testen und das war uns definitiv viel zu Riskant. Wir suchten im Elektrofachhandel nach einem passenden Exponat und wurden auch schnell fündig, so dachten wir zumindest. Der erste Proband war günstig, hatte ausreichend Platz, verfügte über die von uns benötigten Funktionen und backte leider sehr ungleichmäßig. Direkt einen Tag danach tauschten wir diesen gegen den Rommelsbacher Back- und Grillofen BG 1805/E ein.

Dieser Ofen hatte den Test direkt beim ersten Versuch bestanden. Obwohl die Temperatur laut Regler nur bis maximal 230 °C einstellbar ist, leistet unser Prachtstück tatsächlich knappe 250 °C, das sogar gleichmäßig und für noch nicht einmal 200 Euro. Jetzt würden ja viele Leser behaupten, das man mit solch einem Ofen nicht wirklich richtig backen kann, aber weit gefehlt. Ich kann Ihnen versichern, wir haben alle Rezepturen der letzten fünf Zeitschriften komplett in diesem Ofen gebacken und treten somit den Beweis des Gegenteils an.

Nachdem wir nun unsere komplette Ausrüstung zusammen und verstaut hatten, konnte die Expedition endlich losgehen. Das erste Ziel war dort, wo alles begann, die ursprüngliche Heimat und der Weg zu meiner Back-Leidenschaft die gar nicht so einfach startete.

Damals musste ich großen Ärger ertragen, weil ich mich zur Ausbildung für das Bäckerhandwerk entschieden hatte. Dennoch habe ich diese Entscheidung bis heute nie bereut.

Direkt nach dem Elektrogeschäft war das damalige Café Manstein.

Die meiste Zeit stand ich mit meinem Meister alleine in der Backstube. Ausbildung intensiv. Doch jede Medaille hat bekanntlich auch ihre Kehrseite. Denn romantische Mußestunden waren das keine. Das Gelernte musste sofort in der täglichen Handwerks-Praxis in verkaufbare Ware umgesetzt werden, und zwar wirklich restlos alles.

Werner Remmel, mein Bäckermeister, pachtete im Jahre 1985 das in Bad Sobernheim wohlbekannte und geschätzte „Café Mannstein“. Familie Mannstein zog sich damals in den verdienten Ruhestand zurück. Der Altmeister half noch während der Übergangszeit aus und führte den aus der Eifel stammenden, frisch gebackenen Geschäftsinhaber in die Gepflogenheiten und Vorlieben der anspruchsvollen Bad Sobernheimer ein.

Ich verließ im Sommer 1986 die Schule und begann meine Ausbildung in diesem Café. Mein Vater meinte zwar, ich solle doch einen „anständigen“ Handwerksberuf erlernen. Etwas in Richtung Elektriker, Maler, Fliesenleger, wo sich auch nach Feierabend noch die eine oder andere Mark hätte hinzuverdienen lassen. Für mich zählten aber damals andere Faktoren: Man ist in der Backstube immer im Warmen, man hat mittags frei, und man kann ständig die leckersten Sachen kosten. 

Als Jungspund stand bei mir natürlich die Freizeit an oberster Stelle, allerdings hatte ich da die Rechnung ohne Meister Remmel gemacht. Wochen mit über 60 Stunden Arbeit waren keine Seltenheit. Standen Feiertage an, war dieses Pensum bereits nach vier Tagen erreicht. Und dann gab es da noch so etwas wie ein Privatleben. Der jugendlichen Neugierde und dem Erkundungsdrang geschuldet, durchlitt ich die Arbeitstage oft in permanenter Müdigkeit. Party und Bäckerberuf harmonieren nicht sonderlich gut zusammen. 

Bereits um drei Uhr morgens klingelte der Wecker, am Wochenende noch früher, und an Feiertagen ging es bereits abends mit der Arbeit los. Jedes Mal nach dem Aufstehen tastete ich mich mit zwei kleinen Sehschlitzen im Kopf mühsam in Richtung Badezimmer. Ein paar Spritzer kaltes Nass ins Gesicht, und schon ging es zu Fuß in die knapp einen Kilometer entfernte Backstube. Wenn ich dann, noch halb im Dämmerzustand, endlich den Knopf der Klingel am großen Holztor gefunden und gedrückt hatte, stand gefühlte zwei Sekunden später der bereits wirbelnde Meister vor mir und war wie ein hochenergetischer Blitz ebenso schnell wieder verschwunden. 

Ich schleppte mich dann in die Backstube, brauchte aber immer noch ein paar Minuten, um das Geschehen um mich herum überhaupt erst einmal wahrnehmen zu können. Manchmal kam es mir vor, als hätte sich Meister Remmel selbst mindestens zwei Mal geklont, so unglaublich aktiv war er bereits in den frühen Morgenstunden zugange. Er ließ mir nie lange Zeit und befeuerte mich sogleich mit Salven zu erledigender Aufgaben. Ging ihm etwas zu langsam, stellte er sich gewöhnlich wild gestikulierend neben mich und verlangte nach mehr Tempo. 

Wenn mein Motor dann lief, ging es auch bei mir zur Sache. Zuerst die Brötchen in den verschiedensten Variationen, gefolgt vom Brot und dem Hefeteig. Um sieben Uhr gab es eine Pause. Zwanzig Minuten Ruhe, frisches Brötchen mit Salami und eine Tasse Kaffee. Das war mein morgendliches Ritual. Mein Meister pflegte mit einer dicken Zigarre neben mir zu sitzen und las dabei die regionale Tageszeitung in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Danach kamen in der Backstube wieder die Tagesangebote an die Reihe. Dienstags gab es ein spezielles Brot, mittwochs Granatsplitter oder eben saisonal bedingtes Gebäck wie zum Beispiel Berliner, Christstollen und ähnliches. 

Gegen 14 Uhr ging es dann schließlich ans Saubermachen. War ich müde, brauchte ich länger. War der Meister schlecht gelaunt, brauchte ich auch länger. Danach stand meinem Chef gerne der Sinn nach Feinerem. Übung macht den Gesellen, und so sollte ich Tortenverzierungen mit einer speziellen Masse auf Tortenplatten spritzen, um die Technik besser zu beherrschen und die notwendige Routine zu bekommen. Damals war ich noch jung und hatte dazu nun wirklich keine Lust mehr. Die Freizeit wartete schließlich, oder besser gesagt, das, was davon noch übrig blieb. 

Meistens legte ich mich am Nachmittag etwas hin, damit ich am Abend soweit ausgeruht war, um mich mit meinen Freunden in unserer Stammkneipe treffen zu können. 

Damals war an kabellose Telefonie noch nicht zu denken, geschweige denn an „Social Network“ oder ähnliches. Wir mussten noch raus – und das war gut so. Jeden Abend trafen wir uns, spielten Billard oder Dart und verplanten das kommende Wochenende. Um zehn Uhr war dann für mich meistens Schluss, außer samstags, da trudelte ich oft direkt von der Plattenparty in der Bäckerei ein. Der Samstagnachmittag war dann für mich restlos gelaufen.

Das war ein echt harter Job. Eigentlich denke ich heute immer mit einem Lächeln an diese Zeit zurück. Irgendwie war trotzdem alles einfacher und ehrlicher. Die Menschen besaßen ein gewisses Ehrgefühl oder vielleicht sogar einen höheren Anspruch. Das Gebäck war nämlich noch ganz ohne Zusatzstoffe, Menschen redeten miteinander und in den Vereinen wurde Gemeinschaft gepflegt. Ein Leben, wie es mir heute besser gefallen würde, aber so denkt wohl jede Generation an die eigene Jugendzeit zurück.

Was diese Art zu backen angeht, sieht es heute auch im Nahetal etwas anders aus. Damals gab es alleine in Sobernheim sechs Bäckereien und drei Cafés, die alle Hände voll zu tun hatten. Heute gibt es im Umkreis von 20 Kilometern nur noch drei Betriebe, die nach alter Väter Sitte arbeiten. Viele Backbetriebe, die in den neunziger Jahren Filialketten eröffneten, sind heute nur noch Geschichte. Weniger ist halt doch manchmal mehr, gerade wenn es um täglich frische Ware und handgemachte Spezialitäten geht. 

Heute ist auch mein damaliger „Chef“ im Ruhestand. Gesundheitlich geht es ihm nicht besonders gut, weshalb ich vor Ort leider keine Bilder machen konnte. Ich hoffe, dass es ihm bald wieder besser geht, denn einen Blick in die alte Backstube würde ich schon gerne wieder einmal werfen, zumal alles von der alten Einrichtung vorhanden ist, und noch so dasteht wie früher. Denn trennen kann sich mein alter Meister von seinen Handwerks-Dingen nur sehr, sehr schwer.

Gestöbert habe ich auch in meinen alten Kartons im Keller. Tatsächlich stieß ich auf Unterlagen aus dieser Zeit. Mein Berichtsheft. Damals mussten Wochenberichte für die Zulassung zur Gesellenprüfung erstellt werden. Nach dem Durchblättern wunderte ich mich, wieso ich anstandslos zur Prüfung zugelassen wurde, denn allzu schnell hatte ich offensichtlich meine wertvolle Zeit anderen Dingen als der peniblen Protokollierung der einzelnen Ausbildungsabläufe gewidmet. Das Backen blieb dennoch stets meine Leidenschaft. 

Eismeisellehrgang 1994

Da in diesem Beruf gutes Geld nur mit einem eigenen Betrieb verdient werden konnte, bildete ich mich stets weiter. Food-Styling und -Fotografie, Mediengestalter, Redakteur bis hin zum Marketingchef eines Holzbackofenherstellers – auch die Wege eines gelernten Bäckers können heute vielfältig sein. Mit „Tommys Backwelt“ schließt sich nun ein Kreis. All mein Wissen, meine Fähigkeiten, meine Leidenschaft kann ich hier ausleben und an die interessierte Leserschaft weitergeben. Ein Traum geht damit in Erfüllung. 

Für diese Backwelt war ich nach langer Zeit wieder in backender Mission im Nahetal unterwegs. So traditionell wie im Bad Sobernheimer Freilichtmuseum wird nur noch selten gebacken. Ich durfte dabei sein und zwei wirklich humorvolle und schlagfertige Holzofenbäcker eine Nacht lang begleiten. Wie es war? Traumhaft, wie Du in der nächsten Geschichte, in einer Woche, lesen kannst. 

Der Holzbackofen im Bad Sobernheimer Freilichtmuseum.

Eines meiner Lieblingsrezepte habe ich für diese Geschichte zum „Rezept der Woche“ ernannt. Der perfekte Käsekuchen, ein wirklich tolles Rezept. Wenn Du dich für das „Rezept der Woche“ registriert hast, bekommst Du jeden Freitag ein Rezept, das ich zu jeder hier veröffentlichten Geschichte für Dich kostenfrei zusammen gestellt habe, zugesendet.

Ein weiteres Rezept von mir gibt es zusätzlich auf der Seite der Firma Rommelsbacher unter diesem_LINK.

Viel Spaß dabei,

Tommy